Durchbruch bei der neuen EU-Batterieverordnung – Chancen für den Maschinen- und Anlagenbau

Am 09.12.2022 haben sich die Unterhändler des EU-Parlaments und des Europäischen Rates im Rahmen des 4. Trilogs auf die Eckpunkte der neuen EU-Batterieverordnung 2020/0353 geeinigt. Diese soll die bestehende Batterierichtlinie 2006/66/EG ersetzen[1].

Die Europäische Kommission hat sich mit dem New Green Deal[2]hohe Ziele gesteckt. Bis 2050 sollen die Netto-Treibhausgasemissionen auf null reduziert und so die Europäische Union der erste klimaneutrale „Kontinent“ der Erde werden. Die Hälfte der gesamten Treibhausgasemissionen und mehr als 90% des Verlustes an biologischer Vielfalt sowie der Wasserstress seien auf die Gewinnung von Ressourcen und ihre Verarbeitung zurückzuführen.[3] Besonders ressourcenintensiv sind dabei Batterien, zu deren Herstellung wertvolle Rohstoffe wie Cobalt, Nickel, Lithium und Kupfer benötigt werden. Schon jetzt gelangen jährlich etwa 800.000 Tonnen Autobatterien, 190.000 Tonnen Industrie­­batterien und 160.000 Tonnen Verbraucherbatterien in die Europäische Union.[4] Gleichzeitig wird ein Viertel der Treibhausgasemissionen auf den Verkehr in Europa zurückgeführt, weshalb eine rasante Ausweitung der Elektromobilität unter Zurückdrängung des Verbrennungsmotors forciert wird. Herzstück der Elektromobilität ist die Batterie.

Es wird daher mit einem Anstieg der Nachfrage nach Batterien um das 14fache bis 2030 gerechnet wird.[5] Hinzu kommt, dass Batterien nach dem derzeitigen Stand der Technik nur eine begrenzte Lebensdauer haben und schon jetzt etliche Altgeräte kurz vor der Aussonderung stehen. Das Recycling von Batterien wird daher ein zentraler Punkt.

Eine aktuelle Studie des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung prognostiziert ein Volumen potenziell zu recycelnder Lithium-Ionen-Batterien und Batteriekomponenten in Europa von circa 1.500 Kilotonnen per annum bis 2040 und notwendige Wachstumsraten von über 30% per annum.[6]

1. Europäisches Regulierungsvorhaben

Diese Entwicklung hat die Europäische Kommission regulatorisch aufgegriffen. Bereits im Dezember 2020 legte die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung über Batterien und Altbatterien[7] vor, welche den EU-Rechtsrahmen für Batterien modernisieren und die bestehende Batterie-Richtlinie von 2006 ersetzen soll.

Die Verordnung soll eine Kreislaufwirtschaft fördern und die negativen ökologischen und sozialen Auswirkungen von Batterien während ihres gesamten Lebenszyklus verringern. Der Entwurf adressiert dabei drei eng miteinander verknüpfte Problemkreise:

  • Schaffung von Rahmenbedingungen und Anreizen für Investitionen für nachhaltige Batterien,
  • Reform des EU-Umweltrechts und
  • Verbesserung der Recyclingmärkte und Schließung der Lücken in Materialkreisläufen.

Nach der EU-Richtlinie von 2006 mussten lediglich 50% (gemessen am Gewicht) des Materialanteils wiederverwendet werden.[8] Da dies bereits durch das Entfernen von Gehäuse und Komponenten – die meist aus Aluminium, Stahl oder Kunststoff bestehen – erreicht werden konnte, wurde das Ziel, kritische Rohstoffe der Batterien wiederzugewinnen, verfehlt.

Nach der Verabschiedung der gemeinsamen Ratsposition der EU-Umweltminister am 17.03.2022 wurden am 20.04.2022 die Trilog-Verhandlungen gestartet. Am 09.12.2022 gelang den Unterhändlern des EU-Parlaments und des Europäischen Rates der Durchbruch und die Einigung auf Eckpunkte der neuen EU-Batterieverordnung („Eckpunktepapier“).

2. Eckpunktepapier und Inhalte des Entwurfs einer BatterieVO

Lieferketten-Sorgfaltspflichten für die Batterieindustrie

Alle Wirtschaftsakteure, die Batterien auf dem EU-Markt in Verkehr bringen, mit Ausnahme von KMU, müssen eine so genannte „ Sorgfaltspflicht-Richtlinie “ entwickeln und umsetzen, die internationalen Standards entspricht, um die sozialen und ökologischen Risiken im Zusammenhang mit der Beschaffung, der Verarbeitung und dem Handel von Rohstoffen und Sekundärrohstoffen anzugehen.

Diese Forderung fügt sich nahtlos in die politischen Bemühungen auf EU-Ebene um Lieferketten-Sorgfaltspflichten ein[9]. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie die Verpflichtungen für den Batteriesektor hierzu konkret ausgeformt werden sollen und welche Rechtsfolgen an Verstöße geknüpft werden.

Batterie-Sammelquoten

Das Eckpunktepapier sowie der Entwurf enthalten konkrete Zielvorgaben für Batterie-Sammelquoten:

Statt derzeit 45% sollen gemäß Art. 55 Absatz 1 BatterieVO i.V.m. dem Eckpunktepapier bis 2027 zunächst 63% und bis 2030 73% der Altbatterien aus Haushalten gesammelt werden. Bei sogenannten LMT Batterien belaufen sich die Quoten auf 51% bis 2028 und 61 % bis 2031.

Industrie- und Traktionsbatterien sollen vollständig gesammelt werden, und zwar ungeachtet ihrer Bauart, ihrer chemischen Zusammensetzung, ihres Zustandes, ihrer Marke oder ihrer Herkunft.

Art. 57 Absatz 1 BatterieVO normiert, dass alle gesammelten Altbatterien einem Recyclingverfahren zugeführt werden.

Recyclingziele

Darüber hinaus werden erstmals spezielle Recyclingziele für Lithium u.a. Stoffe vorgegeben.

Das Recyclingziel für Lithium wurde durch das Eckpunktepapier von 35% des verwendeten Lithiums auf 50% ab 2027 angehoben, ab 2031 soll das Ziel 80% betragen (ursprünglich 70%). Dabei können diese Ziele in Abhängigkeit von Markt und Technologieentwicklungen sowie Verfügbarkeit von Lithium durch Delegierten Rechtsakt der EU-Kommission angepasst werden.

Gemäß Art. 8 Absatz 1 BatterieVO muss künftig für Industriebatterien, Traktionsbatterien und Starterbatterien auch der Gehalt an recyceltem Kobalt, Blei, Lithium und Nickel angegeben werden.

Mindestrezyklatgehalt

Zusätzlich müssen gemäß Art. 8 Absatz 3 BatterieVO i.V.m. dem Eckpunktepapier

neu produzierte Batterien ab dem 01.01.2030 einen bestimmten Mindestrezyklatgehalt aufweisen. Darunter versteht man den Anteil an zurückgewonnenen Rohstoffen aus einem Recyclingprozess.

Dieser liegt „zunächst“ bei 16% Kobalt, 85 % Blei, 6 % Lithium und 6 % Nickel und soll ab dem 01.01.2035 weiter steigen.

3. Chancen für den Maschinen- und Anlagenbau

Zur Bewältigung der zukünftig anfallenden und regulatorisch vorgeschriebenen Recyclingmengen müssen die Kapazitäten erheblich hochskaliert werden.

Dies eröffnet entlang der Batterie-Wertschöpfungskette (Rohmaterialgewinnung – Batteriefertigung – Batterie­­anwendung – Batterie-Recycling) große Chancen. Namentlich die Entwicklungen und das Engineering im Bereich des Maschinen- und Anlagenbaus sind für Deutschland als traditioneller Maschinenbaustandort von enormer Wichtigkeit.

Im Bereich des Anlagenbaus werden je nach Geschwindigkeit des Marktzuwachs und des globalen Anteils europäischer Recyclingkapazitäten kumulierte Investitionen in Höhe von € 5,5 Mrd. bis 2040 sowie € 1,1 Mrd. Serviceleistungen prognostiziert (Basisszenario).[10] Dies betrifft u.a. folgende Anlagen und Komponenten:

  • Automatisierte Demontageanlagen (inklusive Kamerasysteme, Demontageroboter, Förderbänder, Ablufttechnik)
  • Mechanische Zerkleinerung (inklusive Förderbänder, Vakuum-Destillierung und Trocknung, mechanische Trenn- und Sortieranalgen, Abgasreinigungsanlagen)
  • Pyrometallurgischer Prozess (Hochofen, Förderbänder, Abgasreinigung, mechanische Zerkleinerung der Schlacke)
  • Hydrometallurgische Aufbereitung (inklusive Förderbänder, Reaktionstanks, Filteranlagen, Anlagen zur Lösungsmittelextraktion, Anlagen zur Membranelektrolyse).

Neben den eigentlichen Recycling-Anlagen, spielen Anlagen zur Abluftreinigung eine zentrale Rolle, da teils giftige Gase und Stäube freigesetzt werden, die aus der Abluft zu filtern sind. Ebenso sind an CO2-Abscheide-Anlagen und CCS-Technologien zu denken. Flankierend werden Serviceleistungen für Wartung und Weiterentwicklung der Anlagen hinzutreten.

Fazit

Das EU Vorhaben geht einen großen Schritt in die richtige Richtung. Eine Steigerung der Recyclingquoten und des Mindestrezyklatgehalts ist schon aufgrund des hohen Ressourcenaufwands, steigender Preise bei gleichzeitig niedrigem Rohstoffvorkommen in Europa unabdingbar.

Recycling gewinnt vor allem aufgrund der flächendeckenden Ausbreitung der Elektromobilität an kaum überschätz­barer Bedeutung. Sollen die Ziele des European Green Deals erreicht werden, ist das nur möglich, wenn nicht nur der Verkehr emmissionsfrei gestaltet wird, sondern auch der Batteriekreislauf so ressourcenschonend wie möglich ausgestaltet ist. Nicht zuletzt aufgrund des Krieges in der Ukraine und der Bestrebung nach Unabhängigkeit von Rohstoffimporten drängen sich ehrgeizige Recyclingziele geradezu auf. Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung mit industrieller Recyclingtechnologie für eine Vielzahl von Werkstoffen, ergibt sich für deutsche und europäische Anlagenbauer eine gute Ausgangsposition, um eine global führende Rolle zu übernehmen.

Die formelle Verabschiedung der EU-Batterie-Verord­nung durch Parlament und Rat stehen zwar noch aus. Nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens wird die BatterieVO als Verordnung gem. Art. 288 AEUV in Deutschland unmittelbar geltendes Recht. Wirtschaft und Industrie sollten daher vorbereitet sein und sich schon jetzt mit den (rechtlichen) Herausforderungen des Recyclings auseinandersetzen.

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1] Pressemitteilung d. Europäischen Parlaments vom 09.12.2022 https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20221205IPR60614/batteries-deal-on-new-eu-rules-for-design-production-and-waste-treatment (Abruf 13.12.2022)

[2] Europäische Kommission, Mitteilung v. 11.12.2019, Dokument COM(2019) 640 final, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1576150542719&uri=COM%3A2019%3A640%3AFIN (Abruf: 23.11.2022)

[3] Europäische Kommission, Pressemitteilung v. 11. März 2020, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_20_420 (Abruf: 23.11.2022)

[4] Europäische Kommission, Batteries and accumulators, abrufbar unter: https://environment.ec.europa.eu/topics/waste-and-recycling/batteries-and-accumulators_en (Abruf: 23.11.2022)

[5] Europäisches Parlament, Neue EU-Vorschriften für nachhaltigere und ethisch bedenkenlose Batterien, Aktuelles v. 04.03.2022, abrufbar unter: https://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/economy/20220228STO24218/neue-eu-vorschriften-fur-nachhaltigere-und-ethisch-bedenkenlose-batterien (Abruf:24.11.2022).

[6] Neef/Schmaltz/Thielmann, Recycling von Lithium-Ionen- Batterien: Chancen und Herausforderungen für den Maschinen- und Anlagenbau, 2021, S. 2, abrufbar unter: https://www.isi.fraunhofer.de/content/dam/isi/dokumente/cct/2021/VDMA_Kurzstudie_Batterierecycling.pdf

[7] Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Batterien und Altbatterien, zur Aufhebung der Richtlinie 2006/66/EG und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/1020, Brüssel, den 10.12.2020, COM(2020) 798 final, 2020/0353 (COD).

[8] Richtlinie 2006/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über Batterien und Akkumulatoren sowie Altbatterien und Altakkumulatoren und zur Aufhebung der Richtlinie 91/157/EWG, Anhang III, Teil B, 3c.

[9] Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937, Brüssel, den 23.02.2022, COM(2022) 71 final, 2022/0051(COD).

[10] Hierzu und zum Folgenden Neef/Schmaltz/Thielmann, Recycling von Lithium-Ionen- Batterien: Chancen und Herausforderungen für den Maschinen- und Anlagenbau, 2021, S. 2, 41 ff., abrufbar unter: https://www.isi.fraunhofer.de/content/dam/isi/dokumente/cct/2021/VDMA_Kurzstudie_Batterierecycling.pdf

 

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Wir danken Frau Elisa Dinske, Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei COMINDIS für die Mitarbeit an diesem Beitrag.

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