Verbandssanktionengesetz vorerst gescheitert

Verbandssanktionengesetz  – vorerst gescheitert

Juni 2021

Das Verbandssanktionengesetz (Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft) ist in dieser Legislaturperiode wohl gescheitert. Hiernach sollten Unternehmen für Verbandstaten empfindlich sanktioniert werden. Es sollten aber gleichzeitig Anreize für den Aufbau und die Unterhaltung eines effizienten Compliance-Management-Systems durch Sanktionsmilderung gesetzt werden. Interne Untersuchungen sollten unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls sanktionsmindernd wirken.

Nach einer heftigen Auseinandersetzung in der Regierungskoalition, der massiven Kritik durch Verbände, Anwälte und der Industrie ist das Vorhaben letztlich vor allem am Widerstand der CDU/CSU-Fraktion gescheitert. Die Justiz- und Familienministerin Christine Lambrecht (SPD) kritisierte in der F.A.Z. „einen Bruch des Koalitions­vertrags“, denn es habe eine „glasklare Vereinbarung“ gegeben.[1]

Nach Pressemitteilungen sei der geplante Umgang mit internen Untersuchungen Ursache des Scheiterns gewesen (so F.A.Z. vom 09.06.2021). Zwei Gesichtspunkte sind in diesem Kontext berücksichtigen: Zum einen sollte nach dem Gesetzesentwurf bei internen Untersuchungen der Untersuchungsführer nicht zugleich der Verteidiger des Unternehmens sein. Zum anderen sah der Gesetzesentwurf Änderungen der StPO vor, die eine deutliche Einschränkung des Beschlagnahmeverbote (§ 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO) bewirkt hätten. Voraussetzung für die Beschlagnahmefreiheit sollte nun explizit ein „besonderes Vertrauensverhältnis des Beschuldigten zum Rechtsanwalt“ sein – ein Gedanke, der bereits in der Jones-Day-Entscheidung des BVerfG[2] vom 06.07.2018 bzw. den Erwägungsgründen der Fachgerichte angelegt war. Auf das Privileg der Strafverteidiger zur Beschlagnahmefreiheit hätte sich das Unternehmen bei der Durchführung interner Untersuchungen nach dem VerbSanG-E somit nicht berufen können. Hinzu kam, dass der Gesetzentwurf die „uneingeschränkte und ununterbrochene“ Kooperation mit der Staatsanwaltschaft verlangte. Auch diese Anforderung war schwer abzuschätzen.

Ungeachtet des vorerst gescheiterten VerbSanG besteht bereits nach geltender Rechtslage die Verpflichtung der Unternehmensleitung, bei entsprechenden Hinweisen auf ein mögliches Fehlverhalten (z.B. durch Whistleblower), derartige Fälle zu untersuchen. Diese Untersuchungspflicht resultiert aus der Aufsichtspflicht der Unternehmensorgane. Das Unterlassen solcher Aufklärungs­maßnahmen kann dazu führen, dass die Unternehmensleitung selbst haftbar gemacht wird, weil sie sehenden Auges ein Fehlverhalten geduldet und damit billigend in Kauf genommen hat.

Ob in der nächsten Legislaturperiode ein neuer Anlauf für ein Verbands­sanktionsrecht unternommen wird, hängt auch maßgeblich vom Ausgang der Bundestagswahlen ab. Sollte es dazu kommen, müssen die Leitplanken neu justiert werden. Ein konsensfähiges Modell sollte sich auf bestimmte Verbandstaten konzentrieren und Unbilligkeiten vermeiden. Es sind realistische Anreize zu setzen, ein effizientes Compliance-Management-System zu errichten und zu unterhalten sowie interne Untersuchungen bei Verdachtsfällen durchzuführen.

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Dr. Eric Decker                                  Dr. Ingo Kühl

 

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[1] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/koalition-beerdigt-gesetz-zu-unternehmenssanktionen-17381080.html

[2] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2018/bvg18-057.html: „Soweit die Fachgerichte davon ausgegangen sind, § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO begründe ebenso wie § 97 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO ein Beschlagnahmeverbot nur im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen einem Berufsgeheimnisträger und dem im konkreten Ermittlungsverfahren Beschuldigten, ist Verfassungsrecht ebenfalls nicht verletzt. Ein solches Verständnis steht im Einklang mit dem Wortlaut, der Systematik, der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck der Norm und ist nicht willkürlich.“