LNG Beschleunigungsgesetz: Bau von Infrastrukturanlagen zur Sicherung der Energieversorgung forciert

Die Gas-Versorgungssicherheit in Deutschland ist aufgrund des Kriegs in der Ukraine bedroht. Für die nationale Energieversorgung sind die russischen Erdgaslieferungen an Deutschland mit aktuell ca. 40 Prozent der nationalen Gasversorgung, bei einem Gesamtverbrauch von rund 1.000 TWh oder 96 Mrd. m3 pro Jahr von immenser Bedeutung. Das Szenario einer Unterbrechung der Gaslieferungen von Russland nach Deutschland ist denkbar. Jüngst wurden die russischen Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien eingestellt. Deutschland muss sich daher von der Abhängigkeit russischer Gaslieferungen schnellstmöglich befreien.

Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases (sog. LNG-Beschleunigungs­gesetz – LNGG) eingebracht. Der Entwurf wurde am 19. bzw. 20.05.2022 im Eiltempo durch Bundestag und Bundesrat beschlossen.

Die wesentlichen Punkte sind:

  • Landgebundene und schwimmende LNG-Terminals sowie die erforderlichen Leitungen sollen schneller errichtet werden;
  • Zulassungs-, Vergabe- und Nachprüfungsverfahren werden beschleunigt;
  • Ausnahmen von der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) und Beschränkungen des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) werden ermöglicht;
  • die Öffentlichkeitsbeteiligung wurde stark verkürzt und Rechtsbehelfe beschränkt;
  • die landgebundenen LNG-Terminals und die für die Anbindung erforderlichen Erdgasleitungen müssen bereits für eine spätere Umstellung auf Wasserstoff geeignet sein;
  • Genehmigungen sollen bis zum 31.12.2043 befristet sein; darüber hinaus können die Anlagen nur im Falle einer Nutzung für klimaneutralen Wasserstoff und dessen Derivate betrieben werden.

 

Landgebundene und schwimmende LNG-Terminals

Der Gesetzgeber definiert im LNGG konkret sechs Vorhabenstandorte in Brunsbüttel, Wilhemshaven, Stade / Bützfleth, Hamburg / Moorburg, Rostock / Hafen sowie Lubmin, an denen mehrere FSRU[1] bzw. Füssigerdgas-Terminals und die entsprechenden Leitungen errichtet werden sollen. Für diese Vorhaben gesetzlich festgestellt, dass sie im zentralen Interesse einer sicheren und diversifizierten Gasversorgung in Deutschland liegen und aus Gründen eines überragenden öffentlichen Interesses sowie im Interesse der öffentlichen Sicherheit erforderlich sind.

Im sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes liegen gemäß § 2 LNGG:

  • stationäre schwimmenden Anlagen (Nummer 1) = FSRU,
  • stationäre landgebundenen Anlagen (Nummer 2),
  • Leitungsausbau samt weiterer (Teil-) Anlagen (Nummer 3),
  • hierfür erforderliche Gewässerausbauten und Gewässerbenutzungen (Nummer 4) und
  • Dampf- oder Warmwasserpipelines, die für den Betrieb der Anlagen nach Nummer 1 oder Nummer 2 erforderlich sind (Nummer 5).

 

Ausnahmen von der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG)

Entgegen der ersten Entwurfsfassung des LNGG konnte sich die Bundesregierung nicht damit durchsetzen, eine Möglichkeit für die Behörden zu schaffen, für die stationären landgebundenen Anlagen (Nummer 2) die Anwendbarkeit des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVPG) abzubedingen[2]. Diese Möglichkeit gilt momentan also nur für schwimmende Anlagen (FSRU) und die damit verbundenen notwendigen Leitungen und Gewässerausbauten bzw. -Nutzungen.

Voraussetzung ist nach dem insoweit recht kurzen Wortlaut des Gesetzes, dass die zuständige Behörde feststellt, dass „eine beschleunigte Zulassung des konkreten Vorhabens geeignet ist, einen relevanten Beitrag zu leisten, um eine Krise der Gasversorgung zu bewältigen oder abzuwenden“. Wann dies der Fall sein soll, sagt das Gesetz nicht. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, dass die Fälle umfasst seien, in denen eine Krise der Gasversorgung bereits besteht oder eine solche droht. Von einem „relevanten Beitrag“ – so die Gesetzesbegründung – sei regelmäßig auszugehen, wenn über die konkrete Anlage mehr als nur geringfügig LNG eingespeist werden kann und soll und die Gasmangellage weiterhin vorliegt oder droht. Von einem mengenmäßig relevanten Beitrag könne regelmäßig ausgegangen werden, wenn das Vorhaben eine jährliche Regasifizierungskapazität von zumindest 5 Mrd. m³ erreiche bzw. überschreite[3].

Sonstige Vereinfachungen im Immissionsschutz-, Naturschutz- und Vergaberecht

Es gelten für die BImschG-Genehmigung nach dem LNGG verkürzte Auslegungsfristen (statt ein Monat gem. § 10 Abs. 3 S. 2 BImschG, eine Woche gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 LNGG). Auch die Einspruchsfrist wurde verkürzt (von 2 Wochen auf 1 Woche). Deutliche Erleichterungen sieht der Gesetzgeber bei der Festsetzung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach dem Bundesnatur­schutzgesetzes vor, diese können bis zu zwei Jahre nach Erteilung der Zulassungsentscheidung erfolgen und mit der Umsetzung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist innerhalb von drei Jahren nach der Festsetzung zu beginnen (§ 6 LNGG).

Wichtige Hürden wurden auch im Bereich der Vergabeverfahren abgebaut. Insbesondere findet § 97 Abs. 4 GWB keine Anwendung, d.h. mittelständige Interessen sind nicht vornehmlich zu berücksichtigen, dies gilt auch bei der Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen. Leistungen müssen nicht in der Menge aufgeteilt und getrennt nach Art oder Fachgebiet vergeben werden (§ 9 LNGG). Weiterhin sind Verträge, die unter Verstoß gegen vergaberechtliche Regelungen geschlossen wurden, nicht per se nach § 135 GWB unwirksam.

Vielmehr gewährt das LNGG den Nachprüfungsinstanzen erstmals ein Ermessen, von der zwingenden Unwirksamkeitsfolge des § 135 Absatz 1 GWB abzusehen, indem sie eine Abwägungsentscheidung über die Unwirksamkeit oder alternative Sanktionen treffen können. In die Abwägung sind angesichts der äußersten Dringlichkeit der Vorhaben nach § 2 LNGG und der Gefährdung überragender öffentlicher Interessen die zwingenden Gründe eines Allgemeininteresses für ein Absehen von der Unwirksamkeit bei Vorhaben nach § 2 LNGG angesichts des Zweckes von § 1 LNGG und des besonderen Interesses nach § 3 LNGG einzubeziehen.

Sollte eine Nachprüfungsinstanz gleichwohl auf die Unwirksamkeit entscheiden, so darf dies nur die noch zu erfüllenden Verpflichtungen betreffen, d.h. sie gilt allein für die Zukunft und nicht rückwirkend. Begründet wird dies zutreffend mit der äußersten Dringlichkeit der Vorhaben nach § 2 LNGG und dem überwiegenden Interesse an dem Fortbestand der Anlagen zur Verhinderung der Gefährdung überragender öffentlicher Interessen von herausragender Bedeutung.

Beschränkte Rechtsbehelfe

Rechtsbehelfe gegen eine Zulassungsentscheidung für die Vorhaben nach § 2 LNGG haben generell keine aufschiebende Wirkung, d.h. die sofortige Vollziehung wird gesetzlich angeordnet. Dies trägt zur Planungssicherheit des Vorhabenträgers bei.

Das LNGG legt die erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwal­tungsgerichts bei Vorhaben nach § 2 LNGG fest. Damit wird eine erhebliche Verfahrensbeschleunigung erzielt. Denn im Vergleich zum „normalen Instanzenzug“ mit der Eingangsinstanz bei den Verwaltungs- oder Oberverwaltungs­gerichten entfällt das Risiko eines anschließenden Revisionsverfahrens beim Bundes­verwaltungsgericht. Wie die Praxis zeigt, können Revisionsverfahren zu einer Zurückverweisung an das (Ober-) Verwaltungsgericht führen, wo ggf. weitere Sachaufklärung zu betreiben ist.

Fazit

Insgesamt ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber entscheidende Hürden für große Infrastrukturvorhaben im LNG-Bereich deutlich erleichtert und teilweise beseitigt hat. Dies kann eine Blaupause für zukünftige große Infrastrukturvorhaben in Deutschland, etwa bei dem Fernleitungsnetzausbau oder der Wasserstoff­infra­struktur sein.

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[1] FSRU steht für Floating Storage and Regasification Unit, also schwimmenden Speicher- und Regasifizierungseinheiten

[2] BR Ds. 221/22 Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages über das Gesetz zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases (LNG-Beschleunigungsgesetz – LNGG)

[3] BT Ds. 20/1742 Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases (LNG-Beschleunigungsgesetz – LNGG)

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