Am 20.05.2022 wurde der Entwurf des delegierten Rechtsaktes zur Ergänzung der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates (Renewable Energy Directive II/RED II) zur Festlegung einer Unionsmethodik mit detaillierten Vorschriften für die Herstellung erneuerbarer flüssiger und gasförmiger Kraftstoffe für den Verkehr nicht biologischen Ursprungs („Delegierter Rechtsakt“) vorgelegt.
Während der gesetzten Frist für Rückmeldungen (20.05. bis 17.06.2022) gingen 337 Rückmeldungen ein. Die zum Teil harsche Kritik von Industrie und Verbänden sieht den voraussichtlich im Herbst 2022 in Kraft tretenden Delegierten Rechtsakt als potenziellen Bremsklotz des Ausbaus der Wasserstoffindustrie. Obwohl die Regelung rechtstechnisch nur für den Verkehrssektor relevant ist (siehe §§ 25, 27 RL (EU) 2018/2001), wird sie in allen Industriesektoren bestimmend sein.
So ist im Entwurf des Energie-Umlagen-Gesetzes (EnUG)[1] für die Umlagenbefreiung für grünen Wasserstoff zwar eine eigenständige deutsche Verordnung vorgesehen. Diese soll sich aber an den EU-rechtlichen Kriterien für grünen Wasserstoff orientieren.[2]
Begriff des delegierten Rechtsakts
Art. 290 Abs. 1 AEUV erlaubt es der EU-Kommission als Exekutivorgan, „Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsaktes zu erlassen“. Diese Rechtsakte müssen ausdrückliche Angaben zu den Zielen, Inhalten, Geltungsbereich und Dauer der Befugnisübertragung enthalten. Zudem dürfen wesentliche Bereiche nicht berührt werden, da diese dem Gesetzgebungsakt vorbehalten sind. Weiter haben nach Art. 290 Abs. 2 a, b AEUV das Europäische Parlament oder der Rat die Möglichkeit, innerhalb der im Gesetzgebungsakt festgelegten Frist Einwände zu erheben oder die Übertragung zu widerrufen.
Auswirkungen der Implementierung des Delegierten Rechtsaktes
Die Umsetzung wird zu einer Überarbeitung der nationalen Gesetzgebung in Deutschland führen, insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob Wasserstoff als erneuerbar gilt und welche Produktionsanforderungen dafür gegeben sein müssen.
Der Entwurf des Delegierten Rechtsakts legt konkrete Anforderungen fest, wann Wasserstoff als „grün“ gilt.
Von vornherein ausgeklammert sind dabei erstaunlicherweise Energiequellen aus Biomasse (Art. 2 Abs. 4 Delegierter Rechtsakt). Biomassekraftwerke sollen demzufolge nicht als Energieerzeugungsanlagen für „grünen“ Wasserstoff gelten. Eine Begründung dafür findet sich in dem Entwurf nicht. Da ca. 7,5 % des erzeugten Stroms in Deutschland im Jahr 2021 aus Biomasse gewonnen wurden, würde dies einen erheblichen Einschnitt in den erwarteten Ausbau der Wasserstoffanlagen bedeuten.
Nachfolgend werden drei Voraussetzungen für erneuerbaren Wasserstoff betrachtet:
- Zusätzlichkeit (Additionality)
- Zeitliche Korrelation
- Geographische Korrelation
Zusätzlichkeit (Additionality)
Die Voraussetzung der Zusätzlichkeit verlangt, dass Stromerzeugungsanlagen für die Wasserstoffproduktion maximal 36 Monate alt sein dürfen (siehe Art. 3 Delegierter Rechtsakt). Sinn und Zweck dieser Regelung ist, dass neue umweltfreundliche Anlagen für die Produktion von Strom zur Herstellung grünen Wasserstoff errichtet werden und damit netto nicht mehr CO2 erzeugt wird, als wenn die Anlage nicht errichtet worden wäre. Die Kommission will also Anreize setzen, dass für die Wasserstoffproduktion neue Windparks entstehen und nicht bestehende anderweitig genutzt werden. Denn bei der Nutzung schon bestehender Windparks würde grüner Strom aus dem Markt genommen.
Befreit von dieser Auflage sind nur Gebotszonen mit einem Grünstromanteil von mindestens 90 % innerhalb des letzten Kalenderjahres (siehe Art. 4 (1)). Zudem darf die Stromerzeugungsanlage nicht an das Stromnetz angeschlossen sein. Ist sie an das Stromnetz angeschlossen, muss mittels eines intelligenten Messsystems bewiesen werden, dass zur Erzeugung des erneuerbaren Wasserstoffs kein Strom aus dem Stromnetz entnommen wurde.
Weiter regelt Art. 4, wann Wasserstoff, der mit Strom aus dem Netz erzeugt wurde, als vollständig erneuerbar gilt. Dies ist unter anderem der Fall, wenn ein Stromliefervertrag (Power Purchase Agreement, PPA) über eine Menge abgeschlossen wurde, die mindestens der Menge an Strom entspricht, die als vollständig erneuerbar angegeben wird.
Für aus dem Netz bezogenen Strom legt der Entwurf fest, dass die EE-Anlage aus der der erneuerbare Strom bezogen wird, ungefördert sein muss. Dies bedeutet, für die Anlage darf keine Unterstützung in Form von Betriebsbeihilfen oder Investitionsbeihilfen gewährt worden sein .[3]
Dies ist kritisch zu bewerten, weil EE-Anlagen, die in der Vergangenheit z.B. durch das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gefördert wurden, aber heute keinen Anspruch mehr auf diese Förderung haben, von der Stromlieferung für erneuerbaren Wasserstoff ausgeschlossen wären. Eine Weiternutzung für dringend benötigten grünen Wasserstoffs wäre gegenüber dem Rückbau derartiger Anlagen wesentlich sinnvoller. Überdies ließe sich eine Doppelförderung auch durch andere absatzbezogene Regelungen vermeiden.
Zeitliche Korrelation
Nach der Voraussetzung der zeitlichen Korrelation dürfen Elektrolyseure erneuerbaren Strom nur dann beziehen, wenn dieser auch tatsächlich erzeugt wird. Art. 7 i.V.m. Art. 4 (2) (c) (i) und (ii) regelt, dass bis zum 31.12.2026 eine monatliche Korrelation gegeben sein muss. Ab dem 01.01.2027 ist eine stündliche Korrelation vorgesehen. Diese Übergangsbestimmung gilt jedoch nicht für Projekte, die eine staatliche Beihilfe beinhalten – es sei denn, die staatliche Beihilfe bezieht sich nur auf die Investitionsausgaben.
Problematisch erscheint, weshalb z.B. eine längere Windflaute dazu führen soll, dass die Wasserstoffproduktion einzustellen oder zu mindern ist.
Geographische Korrelation
Die geographische Korrelation besagt, dass (i) sich Stromerzeugungsanlagen in derselben Stromgebotszone befinden müssen wie der Elektrolyseur oder (ii) die Anlage sich in einer benachbarten Gebotszone befindet und die Strompreise im relevanten Zeitraum gleich oder höher sind als in der Zone, in der der erneuerbare flüssige und gasförmige Verkehrskraftstoff nicht biologischen Ursprungs hergestellt wird. Eine Stromgebotszone dürfte dabei regelmäßig ein Mitgliedsstaat sein.
Bei Anlagen in benachbarten Gebotszonen müssen die Strompreise im relevanten Zeitraum (Day-Ahead-Markt) in der benachbarten Gebotszone gleich oder höher sein.
Problematisch ist hieran, dass die Netzdienlichkeit der Wasserstoffanlage außer Betracht gelassen wird.
Fazit
Der Delegierte Rechtsakt der EU-Kommission soll die künftigen Spielregeln der Wasserstoffproduktion festlegen. Allerdings enthält dieser mehrere strenge Anforderungen, die insbesondere in ihrer Kombination häufig nicht oder nur schwer realisierbar sein werden. Die erforderliche Beschleunigung der Errichtung einer Wasserstoffinfrastruktur wird damit nicht gefördert. Im Gegenteil: Investoren werden ausgebremst und Unsicherheiten über Subventionen und Rahmenbedingungen entstehen. Es bleibt zu hoffen, dass der Delegierte Rechtsakt bis zu seinem Inkrafttreten im Herbst 2022 deutliche Nachbesserungen erfährt.
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[1] Energie-Umlagen-Gesetz (EnUG), Entwurf eines Gesetzes zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor
[2] Dazu schreibt der Gesetzgeber: „…die Anforderungen an Grünen Wasserstoff sind bisher in § 12i EEV a.F: geregelt und sollen in § 26 EnUG überführt werden. In diesem Kontext sollen die Voraussetzungen an das Europarecht angepasst werden, […] unter Berücksichtigung der relevanten EU-rechtlichen Vorgaben aus der Richtlinie (EU) 2018/2001 oder ihrer Überarbeitung nachgetragen.“ (BR-Drs. 162/22).
[3] Ausgenommen hiervon sind Förderungen, die Anlagen vor dem Repowering gemäß Art. 2 Abs. 6 erhalten haben, und Förderungen, die keine Nettoförderungen darstellen, d.h. wenn die Förderung vollständig zurückgezahlt wird (Art. 4, 2.b).
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