Massive Ausweitung des Straftatbestandes der Geldwäsche – vom Enumerationsprinzip zum „all-crimes-approach“

Dem Bundestag liegt aktuell der Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche vor, den die Bundesregierung am 09.11.2020 übermittelt hat. Beschließt der Bundestag das Gesetz, bedeutet dies einen Paradigmenwechsel in der strafrechtlichen Geldwäschebekämpfung. Denn das Reformgesetz zielt insbesondere darauf ab, das seit 1992 etablierte Enumerationsprinzip zur Bestimmung der tauglichen Geldwäschevortaten durch einen „all-crimes-approach“ zu ersetzen.

Die damit verbundene Ausweitung des Straftatbestandes der Geldwäsche (§ 261 StGB) hat eine erhebliche Tragweite. Bislang setzt die Verwirklichung einer strafbaren Geldwäsche voraus, dass das Tatobjekt aus einer bestimmten, in § 261 Abs. 1 S. 2 StGB explizit genannten Vortat herrührt. Hierzu zählen Verbrechen wie Raub oder gewerbsmäßiger Handel mit Betäubungsmitteln, daneben Korruptions- und Steuerdelikte sowie bestimmte qualifizierte Betrugstaten (nämlich gewerbs- und bandenmäßiger Betrug). Dies soll sich nach dem vorliegenden Regierungsentwurf ändern. Entscheidend ist danach nur, ob ein Vermögenswert durch irgendeine Straftat erlangt wurde.

Praktisch würde der Gesetzgeber damit den Anteil inkriminierter Gelder auf deutschen Bankkonten vervielfachen. Künftig würden auch Gelder aus weit verbreiteten Massendelikten als taugliche Tatobjekte einer Geldwäsche erfasst, was nicht zuletzt Unternehmen vor große Herausforderungen stellen würde. Hat etwa ein Unternehmen in der Vergangenheit unrechtmäßige Gelder vereinnahmt (z.B. durch bewusst überhöhte Rechnungen), könnten sich Entscheidungsträger beim späteren Umgang mit betroffenen Geldern deutlich häufiger als bisher wegen Geldwäsche strafbar machen. Dies kann etwa durch Überweisungen innerhalb des Unternehmens oder an Dritte geschehen.

Eine solche Gefahr besteht vor allem auch dort, wo rechtswidrige Einnahmen mit legalen Geldern vermengt wurden, sich ein Kontobestand also aus legalen und illegalen Beträgen zusammensetzt. Der gesamte vermengte Geldbestand kann ein geldwäschetaugliches Tatobjekt sein, wobei die Einzelheiten hier hoch umstritten sind. Die aktuelle Gesetzesreform zielt nicht auf eine Klärung der hier bestehenden – erheblichen – Rechtsunsicherheit ab, sondern verweist im Gegenteil insoweit ausdrücklich auf die in der Vergangenheit entwickelten Grundsätze. Hier wird also nach wie vor eine Einzelfallbetrachtung entscheidend sein. Es bleibt die Hoffnung, dass die Rechtsprechung der vielfachen – und berechtigten – Kritik gegen die beabsichtigte, ins uferlose gehende Ausweitung der strafbaren Geldwäsche Rechnung trägt und den Tatbestand an dieser Stelle korrigierend eingrenzt.

Für Fälle der Selbstanzeige sieht der Regierungsentwurf einen persönlichen Strafaufhebungsgrund vor. Dies entspricht der bisherigen Gesetzeslage. Der vorausgegangene Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJ) vom 11.08.2020 sah zunächst die Streichung des Strafaufhebungsgrundes vor. In dem nun dem Bundestag vorliegenden Regierungsentwurf vom 14.10.2020 ist der Strafaufhebungsgrund jedoch wieder aufgenommen.

Der Gesetzentwurf dient (zumindest teilweise) der Umsetzung der EU-Richtlinie 2018/1673 des Europäischen Parlaments und des Rates über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche. Allerdings geht der Entwurf explizit über die Brüsseler Zielvorgaben hinaus. Insbesondere der „all-crimes-approach“ ist nicht gefordert. Der Bundestag hat am 20.11.2020 den Entwurf erstmals debattiert und im Anschluss zur weiteren Beratung in den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. Eine fristgerechte Implementierung der europäischen Vorgaben in das deutsche Recht ist nicht mehr möglich. Die Umsetzungsfrist lief am 03.12.2020 ab.

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Dr. Ingo Kühl                                                Dr. Eric Decker

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